100 Jahre Denkmal

Quelle : Mittelbayerische Zeitung vom Freitag den 2. Juli 1971

Gluckdenkmal in Weidenwang steht seit hundert Jahren ! Vorgeschichte zur Denkmalsenthüllung bewies Idealismus.

Weidenwang. (gy) Am Sonntag sind es auf den Tag genau hundert Jahre, seitdem in der Dorfmitte von Weidenwang das Gluckdenkmal steht 157 Jahre nach dem Geburtstag des mit Mozart berühmtesten deutschen Tondichters Christoph Willibald von Gluck“ (so der königliche Bezirksamtmann Fischer) wurde am 4. Juli 1871 in Weidenwang das Denkmal feierlich enthüllt. Ungeachtet des Streits über den wirklichen Geburtsort des großen Tondichters und der Tatsache, daß im benachbarten Erasbach vor wenigen Jahren ebenfalls ein Gluckdenkmal eingeweiht  wurde, sollen ein Jahrhundert danach die Ereignisse analog noch einmal aufgezeichnet werden. Landrat Hans Pröll hat im Archiv des Landratsamtes nach alten Akten gestöbert und uns dankenswerterweise in die Schriftstücke aus alten Zeiten Einblick gewährt.
Als Initiator kann der damalige Weidenwanger Pfarrer Ainmiller bezeichnet werden, der an das königliche Landgericht ganz im Amtsstil des ausgehenden 19. Jahrhunderts schrieb: “Der gehorsamst Unterzeichnete stellt an verehrliches Landgericht die huldvollste Bitte, unter Beilage von Belegen, diesen Gegenstand im obigen Betreff (Anmerkung: es heißt Tonsetzer Gluck betreff) weiter zu verfolgen, damit dem Christoph Gluck seiner Zeit dahier eine Gedenktafel gnädigst möge errichtet werden.”
Dem Weidenwanger Pfarrer war aufgefallen, daß 1842 die bayerische Gesandtschaft ein pfarramtliches Geburtszeugnis von Gluck verlangte. Dieses Taufzeugnis genügte dem Custos der K.K. Hofbibliothek in Wien, Anton Schreid, der seit 40 Jahren an einer Gluck-Biographie arbeitete, einen Irrtum auszuräumen: Mit dem Taufzeugnis als Beleg teilte der Bibliothekar in den ,,Österreichischen Blättern“ mit, der Tonsetzer Gluck sei nicht zu Neustadt an der Waldnaab am 25. März 1700, sondern zu Weidenwang bei Neumarkt in der Oberpfalz am 2. Juli geboren und zwei Tage darauf getauft worden. Seine Eltern hießen nicht Johann Adam und Katharina, sondern Alexander und Walburga.
Knapp einen Monat nach dem untertänigsten Schreiben, des Weidenwanger Pfarrers gab im Namen Seiner Majestät des Königs die Königliche Regierung von Mittelfranken (Kammer des Innern) in einem Schreiben an das Königliche Landgericht Beilngries grünes Licht für die Errichtung eines Denkmals in Weidenwang.
Nun stand die Finanzierung im Raum. Die Mittelfränkische Regierung wußte Rat: Weidenwang hatte – so ein Schreiben vom 6. März 1860 – die Kosten ,,für die Herstellung der projektierten Gedenktafel aufzubringen, daß daher zu diesem Behufe, Kostenanschlag mit Zeichnung herzustellen und diese Elaborate sodann, wenn die Deckung der Kosten festgestellt und ruratelamtliche Genehmigung erfolgt seyn wird, zur weiteren Entschließung baurechtlich in Vorlage zu bringen sind.“
Was bleibt der kleinen Gemeinde anderes übrig, als das Zuschußgesuch in alle Welt zu verschicken. Zur Enttäuschung der Weidenwanger sagt der König nein zu der Geldbitte. Das Hofsekretariat Seiner Majestät des Königs von Bayern teilt in einem Schreiben vom 14. Juli 1868 mit:
,,Seine Majestät der König haben von dem allerunterthänigsten Gesuche um Gewährung einer Unterstützung zur Errichtung eines Gluckdenkmals in Weidenwang, königlichen Bezirksamts Belingries, Kenntnis genommen, lassen aber bedauern, dieser Bitte nicht entsprechen zu können, da einerseits die Kgl. Kabinettskasse von allen Seiten her in Anspruch genommen wird und andererseits dem großen Tondichter Ritter von Gluck schon durch Seine Majestät dem König Ludwig I. in der Haupt- und Residenzstadt München ein ehernes Denkmal errichtet worden ist.“
Weidenwang läßt sich durch diese Absage nicht von dem Plan abbringen, Gluck ein Denkmal zu setzen. Wenn die Obrigkeit schon nichts hergibt, soll das Volk gemolken werden. Man beantragt eine Sammlung für die Finanzierung des Denkmals und bekommt sie von der mittelfränkischen Regierung am 5. November 1868 genehmigt.
Das Amberger Tagblatt Nr.61 vom Montag, 15. März 1869 und das Neumarkter Wochenblatt – Amtsblatt der Kgl. Bezirksgerichte Neumarkt, Velburg und Hemau und der Königlichen Landgerichte Neumarkt, Hilpoltstein, Kastl, Parsberg, Hemau und Riedenburg Nr.24 vom Mittwoch, 24 März 1869 berichten übereinstimmend, daß bis jetzt die ,,nennenswerthe Summe von 720 fl.“ eingegangen sei.
Das Neumarkter Wochenblatt schreibt: ,,Es betheiligten sich bei der Unterstützung des Unternehmens sowohl Vereine (größtenteils durch Veranstaltung von Produktionen) als auch Gemeinden durch Vornahme von Sammlungen, als auch Private durch Extrabeiträge. Die größten Unterstützungsbeiträge erhielten wir: a) was Vereine betrifft: von dem academischen Gesangvereine Erlangen 50 fl., vom Gesangvereine in Berching 33 fl., 31 kr., von der Liedertafel in Eichstätt 30 fl., vom Gesangvereine in Beilngries 25 fl., 45 kr. und von der Harmonie in Greding 22 fl.;  b) was gemeindliche Sammlungen betrifft: von der Stadtgemeinde Beilngries 33fl., 21 kr und von der Gemeinde Weidenwang 20 fl., 42 kr.; c) von Privaten wendete uns den größten Beitrag Herr Mühlenbesitzer Meixner auf der Gösselthalmühle, nämlich 15 fl., 45 kr. zu.
Noch stehen uns von verschiedenen Seiten namhafte Beiträge in Aussicht und so ist es zu hoffen, daß wir in den Stand gesetzt werden, dem größten Meister der Töne ein würdiges Denkmal zu errichten. Die Verwirklichung des Projektes bleibt bis zum nächsten Jahr ausgesetzt und ist daher für Freunde unserer Sache noch Zeit und Gelegenheit genug gegeben, werkthätig unser zu gedenken.
Schließlich können wir nicht umhin, noch auf einen unserm Unternehmen gemachten Einwand, ,,daß das Pfarrdorf Weidenwang zu unbedeutend sei, um besondere Theilnahme für die Sache zu erwecken“, kurz Folgendes zu erwidern: Wir setzen das Denkmal nicht der Bedeutendheit des Ortes wegen, sondern deßhalb, weil einer unserer größten Tondichter dort geboren ist. Eine solche Thatsache muß, wie in anderen Orten, z.B. dem Städtchen Eschenbach als Geburtsort des Dichters Wolfram von Eschenbach oder dem Städtchen Marbach als Geburtsort Schillers, auch unserem Weidenwang die ihm von Gott und Rechtswegen gebührende Bedeutung geben.“
Soviel Idealismus konnte schließlich auch von der Obrigkeit nicht ignoriert werden. Der bayerische König revidierte seine erste Entscheidung und geruhte, die Staatskasse für das Projekt zu strapazieren, wie in einer Mitteilung der Königlich Bayerischen Cabinets-Kasse an das Bezirksamt Beilngries vom 26. März 1869 nachzulesen ist:
,,Seine Majestät der König haben zur Bestreitung der Kosten für das dem Tondichter Christoph von Gluck in seinem Geburtsorte Weidenwang zu errichtende Denkmal einen Beitrag von vierhundert Gulden aus diesseitiger Kasse zu bewilligen geruht. Diese vierhundert Gulden beehren wir uns nun beifolgend zur gefälligen weiter geeigneten Verfügung und mit dem Ersuchen um baldgefällige Anherleitung einer Empfangsbescheinigung zu übermitteln.“
Und noch ein König half den Weidenwangern. Die Königlich Preußische Gesandtschaft in Bayern mit dem Sitz in München teilte am 1. Oktober 1869 mit, daß Seine Majestät der König allergnädigst geruht haben, einen Betrag von 100 Talern in Aussicht zu stellen. Wie die Weidenwanger den großen Tag der Denkmalsenthüllung feierten, werden wir morgen, am Vortag der 100 jährigen Wiederkehr, berichten.

Quelle : Mittelbayerische Zeitung vom Samstag den 3.Juli 1971 und Sonntag den 4.Juli 1971

Vor Hundert Jahren in Weidenwang
Regen bei der Denkmalseinweihung

Weidenwang. (gy) Papierene Zeugen der Vergangenheit ans dem Archiv des Landratsamtes lassen uns genau nachvollziehen, was am Sonntag vor hundert Jahren in Weidenwang geschah. Die feierliche Enthüllung des Gluckdenkmals am Dienstag, 4. Juli 1871 (dem 157. Geburtstag des großen Tondichters) wurde ein kleines Volksfest. Alles, was in dem Gebiet Rang und Namen hatte, und sich der Kunst verbunden fand, strömte in den kleinen Ort. Wir haben gestern ausführlich über die Schwierigkeiten der Weidenwanger, Gelder für das gewünschte Denkmal zu bekommen, berichtet. Heute soll geschildert werden, wie der große Tag in Weidenwang begangen wurde.
Die Einladung zur feierlichen Enthüllung liegt noch im Wortlaut vor. Das Festprogramm hatte folgendes Aussehen: „Nachmittags 2 Uhr Enthüllung des Denkmals mit Festrede und Gesang. Sodann feierlicher Zug zum Geburtshaus des Tondichters. Hierauf Musik und Gesangfest auf der Festwiese neben dem Denkmal. Die vielen Gesangsvorträge werden von Gesangvereinen, die ihre Mitwirkung zugesichert, ausgeführt; auch werden mehrere Musikkörper auf der Festwiese spielen. Bei ungünstiger Witterung findet das Gesang und Musikfest im Saale des Gasthauses zur Post in Berching (1 gute Stunde von Weidenwang entlegen) statt.“
Der letzte Vorsatz wurde aber dennoch nicht verwirklicht. Unter schlechtem Wetter hatte nämlich die Festlichkeit zu leiden. Aus dem Zeitungsbericht über die Feier geht hervor: „Bei diesem schönen Fest war nur zu beklagen, daß abends vorher und auch um die Mittagszeit des Festtages selbst die Wasserschleusen des Himmels sich unvorsichtigerweise geöffnet hatten, wodurch gewiß nicht bloß viele Menschenkinder von der Teilnahme abgehalten wurden, sondern auch die Festwiese, beinahe einem Sumpf ähnlich wurde.“
Doch kurz bevor Bezirksamtmann Fischer aus Beilngries zu seiner Rede ansetzte, lachte wieder die Sonne. Der Bezirksamtmann fand große Worte vor der Denkmalsenthüllung: „Die hohe Bedeutung Glucks brauche ich wohl nicht näher auseinanderzusetzen: Unser zahlreiches Erscheinen auf diesem Festplatze beweist, daß wir sie wohl erkannt haben, ja wir wissen es, daß er ein großer Reformator auf dem Gebiet der Oper war, daß er die dramatische Musik auf neue, herrliche Bahnen leitete und der Schöpfer jener edlen Kunstrichtung war, die wir vorzugsweise als die deutsche Musik“ bezeichnen. Es ist so Sitte, daß wir großen Männern an der Stätte ihrer Geburt Monumente setzen; es geschieht dies ebenso aus Verehrung größter Männer, als auch deshalb, um einem solchen Ort ein bleibendes Zeichen seiner Auszeichnung zu verleihen. Und ist auch ein solcher Ort klein und bescheiden, wie dieses Weidenwang, die Tatsache, daß die Vorsehung ihn zur Geburtsstätte eines so großen Mannes ausersehen, verleiht ihm doch einen unverzüglichen Ruhm und einen unauslöschlichen Glanz.“
Der Bezirksamtmann übergab dann dem damaligen Bürgermeister Ennich eine amtliche Urkunde, die heute im Archiv des Landratsamtes ihren Platz gefunden hat. Der Text dieser Urkunde.
„Christoph Willibald von Gluck, der berühmte Tondichter und große Reformator im Gebiete der Oper, wurde am 4. Juli 1714 als Sohn der Alexander und Walburga Gluck’schen Jägerseheleute in Weidenwang geboren. Seitens des Unterzeichneten wurde angeregt, dem großen Meister der Töne in diesem seinem Geburtsorte Weidenwang ein Denkmal zu setzen. Die angeregte Idee fand Anklang und es gelang, die Mittel aufzubringen, um ein würdiges Denkmal, dessen Enthüllung heute vorgenommen wurde, herzustellen.
Die Büste ist von dem königlichen Professor Herrn Knoll in München modelliert und bei Lenz und Herold in Nürnberg in Erz gegossen worden, das Fiestal ist von dem kgl. Bezirksingenieur Herrn Dollmann in München entworfen worden und von dem Steinmetzmeister Hauser in München ausgeführt worden.
Im Namen aller, die zur Errichtung des Monuments beigetragen, wird dasselbe der Gemeinde Weidenwang zum Eigentum überwiesen und hierbei die Erwartung ausgesprochen, daß die Gemeinde das schöne Denkmal als bleibendes Zeichen ebenso der Verehrung für unseren größten deutschen Tondichter, als des Ruhmes dieser Gemeinde, In Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die sie zur Geburtsstätte eines so großen Mannes ausersehen, stets in Ehren halten und sorgsam erhalten werde.
Fischer  kgl. Bez.Amtman.
Die Gemeindeverwaltung Weidenwang akzeptierte vorstehende Schenkung mit größtem Danke und macht sich hiermit für die Gemeinde verbindlich, das Denkmal mit dem umgebenden Gitter für alle Zeiten sorgfältigst zu erhalten, worunter jedoch die Beseitigung größerer, eines Aufwand von Hunderten von Gulden erforderlichen Schäden (namentlich durch Kriegsereignisse herbeigeführt) nicht verstanden sein soll.
Die 3000 Festteilnehmer, unter ihnen die Liedertafeln von Eichstatt, Neumarkt, Beilngries, Thalmassing, Berching, Freystadt Altmansstein, die Stadtmusiken von Beilngries und Berching, die Feuerwehren von Freystadt, Forchheim, Plankstetten, Sulzbürg und Greding, die Schützengesellschaft und Gesellschaft Thalia aus Beilngries, zogen dann zum Geburtshaus von Gluck. Als solches wird das Jägerhaus am südlichen Dorfende angegeben. Nach einer Ansprache des Appell. Rathes Karl Ritter von Täuffenbach aus Eichstätt wurde eine am Haus angebrachte Gedenktafel enthüllt. Ganz Weidenwang hatte sich geschmückt mit Fahnen in bayerischen und deutschen Farben, Kränzen Girlanden und Triumphbogen. Auf der Festwiese  gegenüber der Gluckbüste stand eine Tribüne. Drehorgel und Marionettenbude sorgten für Kurzweil und störten – laut Zeitungsbericht – leider so manche schöne Einzelvorträge der unermüdlichen Sängergäste“.
Weidenwang hatte das gewünschte Gluckdenkmal. Die Gemeinde hat den Text der Schenkungsurkunde nicht vergessen. Von den Witterungsunbilden der hundert Jahre unbeeinflußt steht das Denkmal des Ritters von Gluck noch heute unversehrt inmitten einer schönen Grünanlage.